Reise durch ein musikalisches Land – Unser Weg zum staatlich geprüften Dirigenten

Ein Rückblick auf die Nordbayerische Dirigierakademie

Quelle: Lena Putzer, Andreea Seelmann, Aline Lieberth und Christoph Horneber

Wenn wir heute auf unsere Dirigier-Ausbildung zurückblicken, kommt sie uns vor wie eine lange, vielfältige Reise durch ein uns bis dahin unbekanntes musikalisches Land. Ein Land voller Hügel, Täler, Kathedralen, bunter Städte und vibrierender Vulkane. Jeder Zwischenstopp hielt neue Herausforderungen, neue Aussichten und neue Erkenntnisse bereit. Diese vierteilige Route führte uns schließlich zu einem Punkt, den wir zu Beginn nur aus der Ferne erahnen konnten: Dem Abschluss als staatlich geprüfte Dirigentinnen und Dirigenten.

Die I. Phase unserer Reise begann andächtig. In einer kleinen Kapelle erklang die Schubert-Messe und wir zehn Gefährten schwangen die ersten Bögen, übten geduldig das Führen einer Linie, so als würden wir uns erstmals auf einer Landkarte verorten – wissend, dass noch eine lange Reise vor uns liegt.

Beim Heraustreten aus der Kapelle erreichten wir offene Landschaften in Dakota von Jacob de Haan. Frischer Wind bließ uns ins Gesicht und kräftige Trommelschläge ließen uns erzittern. Der Rhythmus trieb uns vorwärts und wir lernten eine Geschichte zu erzählen, nicht nur mit dem Taktstock zu schlagen. Diese Geschichte wollten wir durch das Dirigat an das Orchester weitergeben. Bei den ersten Versuchen standen die Einen schon fest am Boden, während andere noch versuchten gegen den Wind anzukommen.

Einige Menschen in einheitlichen blauen T-Shirts stehen vor einem Vorhang und halten Urkunden vor ihre Brust.
Die Absolventinnen und Absolventen der Phase IV und Dirigierdozent Florian Unkauf freuen sich über den erfolgreichen Abschluss des Dirigierlehrgangs.

Von den strukturierten Grundlagen ins Gebirge der unregelmäßigen Taktarten

Nach dieser ersten Herausforderung begann die II. Phase der Reise, bei der sich nun neue Gefährten hinzugesellten. Mit den Bach-Chorälen wurde ein Ort erreicht, der klar strukturiert, ruhig und doch voller Handwerk ist. Die Fermaten wurden mit verschiedenen Techniken abgeschlagen und das Schlagbild weiter verfeinert. Diese Station war ein notwendiges Innehalten, ein „Zurück zu den Grundlagen“, das uns für den kommenden Weg stärkte. Denn es ging sofort weiter in raues, lebendiges Terrain. Die Appalachian Overture von James Barnes war wie ein Aufstieg in ein Gebirge. Erste unregelmäßige Taktarten brachten die nächsten Herausforderungen, sodass auch die richtigen Impulse zu setzen immer wichtiger wurde.

Nachdem sich die Reisegruppe wieder leicht verändert hatte, der harte Kern jedoch stets beständig blieb, wurde nun in der III. Phase unwegsames Gelände mit Terra Vulcania von Otto M. Schwarz erreicht - ein vulkanisches Zentrum voller Druck, Glut und eruptiver Kräfte. Das Dirigieren fühlte sich an wie das Navigieren durch eine ständig brodelnde Landschaft. Wir mussten Kontrolle beweisen, den Überblick behalten, Spannungsbögen formen und Klangmassen bändigen. Zum Glück hatten wir unseren Reiseleiter Florian Unkauf, der uns bei allen Herausforderungen unterstütze und stets den richtigen Weg vorzeigte. Durch diese Unterstützung konnte mit Zuversicht die Prüfung angetreten werden… Wären da nicht wichtige Utensilien vergessen worden, die es kurz vorher unter Mithilfe Vieler zu beschaffen gab. Aber auch diese Herausforderung wurde erfolgreich gemeistert und nachdem sich drei Begleiter auf andere Wege begeben hatten, schritt der Rest der Gruppe der finalen Phase entgegen.

In einem großen Raum musiziert ein Blasorchester mit einer Dirigentin.

Das Ziel immer vor Augen: Die staatliche Anerkennung

In der letzten Phase folgt für uns (wieder zehn Reisende) nun eine herausfordernde Region: Diagram von André Waignein – ein verzweigtes Labyrinth aus Rhythmen, Farben und überraschenden Wegen. Hier half kein Automatismus mehr. Wir mussten wach sein, klar denken, Zusammenhänge spüren und entscheiden, wohin wir führen wollten. Doch dies war nicht genug an Herausforderung. Wir mussten uns an einer Weggabelung entscheiden: Wählen wir den Weg des Trompetenkonzerts von Arutjunjan oder das Klarinettenkonzert von Weber. Das Ziel blieb gleich, doch der Weg dorthin unterschied sich deutlich. Im Trompetenkonzert war Technik ein wichtiges Element. Die verschiedenen Einsätze mussten während Virtuosen Passagen des Solisten auf den Punkt genau dem Orchester gegeben werden. Im Klarinettenkonzert hingegen war die Gestaltung und die Erzeugung eines klassischen Klangbildes wichtig. Nachdem auch auf diesem Teil der Reise ein vergessener Taktstock wieder aufgegabelt wurde, konnte die finale Prüfung angetreten werden.

Erschöpft, aber erfüllt haben wir unser Ziel erreicht. Von oben sahen wir das Land, durch das wir gewandert waren: Kapellen, Dörfer, Berge und Vulkane. Zudem haben wir nicht nur neues Land erkundet, sondern auch neue Freundschaften und Erinnerungen geschaffen. Mit der Übergabe unserer Urkunden wurden wir endlich staatlich geprüfte Dirigentinnen und Dirigenten. Doch je länger wir dort oben standen, desto klarer wurde uns: Dies ist kein Endpunkt. Es ist ein Aussichtspunkt. Es beginnen nun neue Wege mit unseren Orchestern und Visionen und der Verantwortung die Reise nun selbstständig anzugehen.