Bombastischer Abschluss der Sommerphase des Nordbayerischen Jugendblasorchesters

„Bombastisch“ – das Wort, das wohl den meisten Konzertbesucher:innen und Musiker:innen am ehesten auf der Zunge lag, wenn man sie um eine Einschätzung des Konzerterlebnisses in Bad Kissingen oder Bamberg am 16. und 17. September fragte.

Quelle: Anna Heuschmann, 26.09.2023
Ein großes Blasorchester gibt ein Konzert in einem imposanten Saal.
Das NBJBO musizierte am Samstagabend vor der traumhaften Kulisse des Regentenbau in Bad Kissingen.

Eingeführt vom fantastischen Moderations-Duo der Konzerte Monika Herbst und Jonas Bohlein, die damit das Hauptwerk des Abends Hell and Heaven ankündigten, festigte sich diese Beschreibung im Laufe des Abends dann bei allen Anwesenden. Das 76-köpfige Orchester unter der Leitung von Franco Hänle überzeugte mit dem vollen Klangspektrum eines sinfonischen Blasorchesters und purer Spielfreude, die anschließend nur eine Beschreibung zuließ: Bombastisch.

Traditionell versammelte sich das Nordbayerische Jugendblasorchester in der letzten Augustwoche in der Musikakademie Hammelburg, um mit dem diesjährigen Gastdirigenten Franco Hänle ein spannendes und abwechslungsreiches Programm zu erarbeiten. In einer intensiven Woche wurde in Registerproben bei namhaften Dozent:innen und etlichen Stunden konzentrierter Tuttiproben die Grundlage gelegt für das bevorstehende Konzertwochenende. Zudem galt es, die phänomenale Orchesterbesetzung von über 70 jungen Musiker:innen mit mehr als 20 neuen motivierten Mitgliedern musikalisch und menschlich zu einem Orchester zu vereinen. So durften die außermusikalischen Aktivitäten ebenfalls nicht zu kurz kommen. Daneben musste auch in diesem Jahr wieder Abschied von einigen Orchestermitgliedern genommen werden, die die Altersgrenze eines Jugendblasorchesters erreicht haben. So wurde im orchesterinternen, feierlichen Rahmen ein großes Dankeschön für viele Jahre Orchestermitgliedschaft und großartige gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen ausgesprochen. Doch noch war es glücklicherweise nicht ganz zu Ende, denn das Konzertwochenende stand erst noch bevor.

So traf man sich also knapp zwei Wochen später in Bad Kissingen wieder, um das Programm ein letztes Mal zu proben, bevor es damit auf die Bühne ging. Am Samstag im Regentenbau in Bad Kissingen und am Sonntag im Hegelsaal in Bamberg konnte das NBJBO dann das erste Mal präsentieren, was als bombastisch beschrieben wurde: Eröffnet wurde der Abend mit der lockeren Suite Les Chasseresses (deutsch: die Jägerinnen) aus dem Ballett Sylvia von Léo Delibes. Das eingängige Jagdmotiv der Hörner und Saxofone zog sich durch das gesamte Stück und blieb wohl nicht nur dem Moderator noch nach dem letzten verklungenen Ton als Ohrwurm im Kopf hängen.

Dieser wurde jedoch direkt wieder verdrängt mit der Ouvertüre zur Oper Dichter und Bauer von Franz von Suppé. Das Arrangement von Roger Niese bleibt sehr nah am Original für Sinfonieorchester und so konnten die Zuhörer:innen zum ersten Mal das Cello-Register bestaunen, das mit dem bekannten Solo der Ouvertüre mit wundervoller Harfenbegleitung brillieren konnte. Daneben überzeugten filigrane Holzbläserpassagen und zahlreiche furiose Tutti-Abschnitte sowie feines Zusammenspiel von Orchester und Dirigent, das immer dem musikalischen Fluss dienend das Konzert spätestens jetzt vollständig für eröffnet erklärte.

Auf einer Bühne vor einem Blasorchester stehen ein Moderator und eine Moderatorin.
Das Moderationsduo Monika Herbst und Jonas Bohlein führte gekonnt durch die beiden Konzerte.
Viele schwarz gekleidete Musiker:innen geben ein Konzert in einem schönen Konzertsaal.
Im NBJBO erarbeiten junge Menschen aus ganz Nordbayern gemeinsam anspruchsvolle Konzertprogramme.
Ein Dirigent in schwarzer schicker Kleidung dirigiert in einem Konzertsaal.
Franco Hänle war in diesem Jahr als Gastdirigent beim NBJBO.

Musikalischer Kampf zwischen Gut und Böse im Hauptwerk Hell and Heaven

Die Einstimmung des Publikums auf den thematischen und stilistischen Sprung zum Hauptwerk Hell and Heaven von Óscar Navarro meisterte das Moderations-Duo dann hervorragend. „Gibt es ein Jenseits? Was geschieht mit der Seele, wenn sie den Körper eines Menschen verlässt? Gibt es Himmel und Hölle? Diese und Hunderte von Fragen haben die Menschen seit Tausenden von Jahren beschäftigt. Fragen, auf die es auch heute noch keine Antworten gibt und die uns bis ans Ende unserer Tage beschäftigen werden.“ Das schreibt der Komponist in der Partitur und so schickt er die Seele auf eine musikalische Reise. Nach dem Ableben zu Beginn des Stückes beginnt ein Kampf zwischen Gut und Böse. Die Seele muss in die Hölle reisen und lernt den Himmel kennen. Auf diese Reise nahm das NBJBO das gesamte Publikum mit und das knapp halbstündige Werk verging wie im Flug. Von leise bis laut, alle Instrumente des sinfonischen Blasorchesters, Kontrabass, Cello, Harfe, Klavier und Orgel – dieses Werk verlangte dem Orchester alles ab. Der wilde Kampf zwischen Gut und Böse entfachte eine unfassbare Energie auf der Bühne, die sich vollständig auf die Zuhörer:innen übertrug und die musikalische Antwort auf die Fragen des Komponisten wurde gegeben und war wie angekündigt: Bombastisch.

Nach der Pause stimmte das Orchester das Publikum mit dem Pomp and Circumstance Militärmarsch Nr. 4 des britischen Komponisten Edward Elgar auf die zweite Konzerthälfte ein. Der feierliche Charakter des Marsches kombiniert mit einer eingängigen, wunderschönen Melodie im Trio machte Lust auf mehr und bildete thematisch einen schönen Übergang zum nächsten Werk. Vom britischen Militärmarsch ging es zu den japanischen Kriegern und Künstlern der Samurai. Das Werk von Nigel Clarke nahm das Publikum mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Die extra besorgten japanischen Trommeln bildeten eine der vertonten Signalmethoden der Samurai auf dem Schlachtfeld. Mit Fahnen und Trommeln wurden die einzelnen Einheiten der Armee identifiziert und vereint. Der ruhigere Mittelteil ließ das Publikum dann teilhaben am buddhistischen Gebet, in das die Samurai nach und nach mit einstiegen und das sich steigerte bis zum letzten Abschnitt, in dem die mächtigen Kriegstrommeln den finalen Angriff verkündeten.

Ein Cello-Spieler sitzt mit einem Blasorchester auf einer Bühne.
Im Orchester waren sogar Cellisten und...
Ein E-Gitarrist musiziert gemeinsam mit einem Blasorchester auf einer großen Bühne.
... ein E-Gitarrist vertreten.

Berauschende Energie zwischen Orchester und Publikum

Beendet wurde der offizielle Konzertteil dann mit einem echten Publikumsliebling: Keen on Queen. Mit dem Arrangement von Jörg Murschinski, das einige der bekanntesten Songs der britischen Rockband zu einem Medley vereint, zeigte sich das NBJBO von seiner rockigen Seite. Drumset, E-Gitarre, E-Bass und Kontrabässe führten das Orchester gekonnt und mit voller Hingabe durch das Werk. Getoppt mit weiteren solistischen Einwürfen spielte sich das Orchester in einen wahren Rausch und das Publikum meinte für einen Augenblick, die Songs nie anders gehört zu haben. So wurde das Orchester im Anschluss mit Standing Ovations und tosendem Applaus nahezu überrollt und man hatte das Gefühl, die Zuhörer:innen wollten alle Energie des Konzertes wieder zurückgeben. Für die Musiker:innen und ihren Dirigenten Franco Hänle war es auf jeden Fall ein klares Zeichen, dass sich die Mühen der Vorbereitung mehr als gelohnt hatten.

Das musste das Orchester selbstverständlich mit zwei Zugaben belohnen und so kamen für das Stück Yagi-Bushi, das auf einem japanischen Volkslied beruht, ein weiteres Mal die japanischen Trommeln zum Einsatz. Nimrod aus den Enigma-Variationen bildete einen ruhigen Abschluss, der Publikum und Orchester mit den wunderschönen, emotionalen und bombastischen Erinnerungen an die diesjährige Sommerphase in den Abend entließ. Das NBJBO möchte sich auf diesem Wege nochmals beim Publikum und unserem diesjährigen Gastdirigenten Franco Hänle bedanken – ihr wart bombastisch.

Junge Musiker:innen, die ebenfalls Teil des NBJBOs werden möchten, sind jederzeit herzlich willkommen. Interessierte bis zum vollendeten 27. Lebensjahr, die Lust auf hochkarätige Musik und Kontakt mit vielen Gleichgesinnten haben, finden auf der Homepage des Orchesters www.nbjbo.de und auf den zugehörigen Social-Media-Kanälen alle Information rund um die Bewerbung.

Viele junge Menschen in Anzug oder schwarzem Kleid stehen vor einem alten Gebäude und halten Instrumente in den Händen.
Die Teilnehmenden der Sommerphase 2023 des NBJBO
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